Maracaibo-Brücke

eine Arbeit von Genaro Kröger und Philipp Schulte

Anders als im normalen Inlandsgeschäft werden die Projekte für den Internationalen Wettbewerb so ausgeschrieben, dass der Auftragnehmer ein Projekt schlüsselfertig übergeben muss. Die Bauherren beauftragen für den Entwurf und die Ausschreibung meistens größere ausländische Ingenieurbüros die sogenannten Consulting Engineers. Vorzugsweise werden britische oder amerikanische aber auch japanische, deutsche und holländische Fachplanungsbüros damit beauftragt.

Die Bauprojekte waren meistens bis zum letzten Detail durchgeplant und in Leistungsbeschreibungen und Leistungsverzeichnissen ausführlich beschrieben.

Baukonzerne die sich an einer internationalen Ausschreibung beteiligen, mussten eine Zulassung zur Ausschreibung einreichen und anhand Unterlagen nachweisen können, dass sie über ausreichende Erfahrungen auf dem jeweiligen Fachgebiet verfügten. Im Allgemeinen wurden nur Referenzen anerkannt die nicht älter als 10 Jahren zurücklagen. Deshalb war es für deutsche Baufirmen, nach dem zweiten Weltkrieg, besonderes schwer solche Nachweise zu erbringen.

Die Angebotsbearbeitung für Auslandsprojekte war nicht nur mit großen Kosten verbunden, sonder auch mit erheblichen Risiken. Grundsätzlich wird im Ausland von Bietern eine Bietungsgarantie gefordert, die sicherstellen soll, dass der Bieter zu seinem einmal abgegebenen Angebot steht. Die Bietungsgarantien belaufen sich auf 5% bis 10% des Angebotspreises. Für den Fall, dass ein Unternehmer oder eine Bietergemeinschaft den Zuschlag erteilt bekommt, müssen sie Ausführungsgarantien von bis zu 100% der Auftragssumme garantieren. Für Projekte, die von der Weltbank finanziert wurden, lagen die Ausführungsgarantien bei 30% der Auftragssumme. Bei einem Projekt von 100 Mio. DM musste der Unternehmer Versicherungsgarantien in Höhe von 30 Mio. DM hinterlegen, die erst nach Ablauf der Gewährleistungsperiode wieder freigegeben wurden. Für die damaligen deutschen Baukonzerne bedeutete die Bereitstellung derartig hoher Garantien eine erhebliche Risikobereitschaft und Belastung der Kreditlinien.

Die Kalkulation von Bauleistungen im Ausland unterliegt anderen Voraussetzungen als die im Inlandsgeschäft. Die Mehrheit der Leistung muss im Ausland erbracht werden. Geräte und Baustelleneinrichtung machen 20 bis 35% der Baukosten aus. Es musste risikoreich kalkuliert werden, da auf dem Auslandmarkt die gesamte internationale Bauindustrie konkurrierte. Dazu gehörten auch die großen staatlichen Firmen der Ostblockländer. Leider war der Wettbewerb, denn Exportsubventionen spielten in manchen Ländern eine große Rolle.

Die wichtigste Voraussetzung für die Kalkulation war die Vorerkundung der örtlichen Verhältnisse. Eine solche Erkundung war eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe für die entsandten Ingenieure. Sie müssen in kürzester Zeit die Verhältnisse auf der Baustelle erfassen, Preise aller Art anfragen und den Zustand der Infrastruktur bewerten. Ebenfalls müssen sie Recherchen über Baustoffhändler und Baustoffproduzenten einholen und logistische Konzepte über den Transport und die Verlademöglichkeiten entwickeln. Bei einer solchen umfangreichen Recherche müssen sich die Ingenieure natürlich auch über Zolltarife, Steuergesetze und Devisenbestimmungen informieren.

Mammutprojekt Maracaibo-See-Brücke

Anhand der Maracaibo-See-Brücke sollen die besonderen Probleme aufzeigt werden mit dem sich der Ingenieur und Bauunternehmer bei großen Projekten im Ausland auseinanderzusetzen hat. Es wird anhand von Beispielen gezeigt, wie technische Probleme während der Bauzeit gelöst und wie brisante Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen geführt werden um die Abwicklung erfolgreich in technischer und ökonomischer Sicht zu gewährleisten. Im Zuge der Globalisierung wird durch das Abwickeln von ausländischen Projekten und durch die verstärkte internationale Zusammenarbeit es immer wieder zu neuen und anderen Problemen führen.

Die Brücke über den Maracaibosee wurde von 1957 bis 1962 von einem Konsortium deutscher und venezolanischer Firmen gebaut. Diese Firmen waren:

Precomprimido C.A. Caracas, Julius Berger A.G. Wiesbaden, Grün und Bilfinger A.G. Mannheim, Philipp Holzmann A.G. Frankfurt a. M. und Wayss und Freytag K.G.

Die 8.678 Meter lange Spannbetonbrücke stellt eine wichtige Verbindung im Straßenverkehrsnetz Venezuelas dar. Der Maracaibo ist der größte See Südamerikas und beherbergt an seinem Südostufer die reichsten Ölfelder des Landes.

1956 und 1957 wurde die Brücke als eine kombinierte Eisenbahn-Straßen-Brücke international ausgeschrieben. Bei der ersten Ausschreibung im Jahre 1956 wurden feste Brücken, Hubbrücken, Tunnels und verknüpfte Kombinationen dieser Möglichkeiten angeboten. Die zweite Ausschreibung ließ nur noch eine feste Überbauung zu. Bei Abgabefrist wurden 12 Entwürfe eingereicht, deren Baukosten zwischen 85 Mill. US-$ und 226 Mill. US-$ lagen. Nur das deutsche Konsortium hatte eine reine Betonbrücke vorgeschlagen mit einer Mittelöffnung von 400 m Spannweite und 45 m lichter Durchfahrtshöhe. Die Deutschen erhielten damit den Zuschlag, obwohl er mit 98,2 Mill. US-$ deutlich über dem preisgünstigsten Angebot für eine Stahlbrücke lag.

Ausführlicher Text zum Herunterladen: Bauen im Ausland – Brücke Maracaibo (148 KB)

Fotomaterial

Baustelleneinrichtung

Eingesetzte Baumaschinen

Gründungsarbeiten

Überbau

Landseitiger Überbau auf der Maracaibo-Seite

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36,6 m und 46,6 m Öffnungen

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85 m Öffnungen

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235 m Öffnungen

 

Logos zum Interflex-Projekt

Diese Arbeit ist Resultat einer interdisziplinären Lehrveranstaltung an der Fachhochschule Potsdam, finanziert aus Mitteln des Projekts “InterFlex – Förderung von Interdisziplinarität und Flexibilität zur Integration von Forschung, Wissens- und Technologietransfer in die grundständige Lehre”.
“InterFlex” wurde im Rahmen des – vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Kultusministerkonferenz ausgelobten – Wettbewerbs “Exzellente Lehre” ausgezeichnet und wird mit Mitteln des Stifterverbandes und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg realisiert.

3 Kommentare

  1. Dr.Abdul Bari sagt

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    In den Jahren 1968/69 war im Auftrag der afghanischen Regierung von der Firma Philipp-Holzmann AG in der Stadt Kandahar ein Getreidesilo gebaut worden. Ich habe damals an der Baustelle als Dolmetscher gearbeitet. Heute herrscht die allgemeine Meinung in Afghanistan, dass der genannte Silo von den Russen gebaut wäre.
    Philipp-Holzmann AG hat nicht nur in Kandahar Baustellen gehabt, sondern auch in Kabul mehrere Baustellen, Wie eine staatlich Augenklinik, Italienische Botschaft sowie Japanische Botschaft und Amani Schule.
    Falls über Kandahar-Silo Daten oder Bilder existieren, würde ich mich sehr freuen, diese zu bekommen.

    Freundliche Grüße
    Abdul Bari

  2. Es ist interessant zu erfahren wie solche internationalen Projekte abgewickelt werden. Wir würden auch gerne demnächst ein schlüsselfertiges Haus kaufen. Ich bin gespannt, welches es werden wird.

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